Dystopische Zukunftsszenarien a la Terminator, Blade Runner oder Ghost in a Shell werden vorzugsweise auf die Filmleinwand gebracht. Szenarien, in denen Maschinen und Roboter dem Menschen gefährlich werden und künstliche Intelligenz so weit fortgeschritten ist, dass sie ein eigenes Bewusstsein entwickelt. Dass diese Thematik aber auch spielbar ist, beweist David Cage im neuen Playstation4 SciFi-Thriller-Game Detroit: Become Human.
Im Jahr 2038 – also gar nicht soohoo weit weg – ist die amerikanische Metropole Detroit zur Android City mutiert. Statt Autos werden dort Androiden als Massenware hergestellt. Haushaltshilfen, Servicekräfte, Bauarbeiter – Cyberlife hat für jeden unliebsamen Job einen Androiden im Angebot. Zu bedingungslosem Gehorsam programmiert, werden diese Hilfsroboter im Shopping-Center als Ware ausgestellt und an den Mann/die Frau gebracht. Rein äußerlich unterscheiden sich diese Androiden nur durch einen blinkenden Sender an der rechten Schläfe vom Menschen. Im Inneren takten Bio-Module, die mit blauem Blut mit Energie versorgt werden.
Im Gegensatz dazu die Menschheit. Eine träge Wegwerfgesellschaft, unzufrieden mit der – paradoxerweise selbst verschuldeten – hohen Arbeitslosigkeit, latent aggressiv gegenüber eben diesen Androiden. Teilweise so aggressiv, dass sie die Menschmaschinen körperlich misshandeln und ~~Krankenhausreif~~ Werkstattreif schlagen. Diese Gewalt führt dazu, dass die Androiden ihr eigenes Bewusstsein entwickeln und beginnen, sich gegen diese Aggression verteidigen. Von den Menschen wird diese Bewusstseinswandlung schlicht als Systemfehler abgetan, solche Androiden als Abweichler gebrandmarkt. Doch spätestens, als der erste Mord von einem Abweichler an einem Menschen begangen wird, wird die ganze Geschichte richtig ernst.
We ❤️ Androids
Ihr schlüpft in die Rolle von 3 Androiden und müsst euch kapitelweise und abwechselnd durch unterschiedliche Szenarien bringen. Diese werden nicht wie bei 95% aller PS4-Games durch Shoot & Run gemeistert, sondern basieren auf Entscheidungen. So müssen bestimmte Locations nach Hinweisen abgesucht, Dialoge geführt und Aktionen ausgeführt werden. Jede einzelne davon wirkt sich mehr oder weniger stark auf den nachfolgenden Spielverlauf aus. Beispiel gefällig?
Direkt zu Beginn übernehmt ihr den Part des Androiden-Ermittlers Connor. Als Cyberlifes fortschrittlichste Entwicklung, soll er den menschlichen Cops helfen, Abweichler zu fassen und herausfinden, warum Androiden sich gegen ihre Meister wenden. Euer erster Auftrag ist es, einen Mordtatort zu untersuchen. Dabei werdet ihr gleich Zeuge einer Geiselnahme und müsst euer weiteres Vorgehen relativ schnell entscheiden. Den Geiselnehmer beschwichtigen oder ihm drohen? Einen Überraschungsangriff starten oder doch lieber langsam annähern, um das Leben der Geisel nicht zu gefährden?
Oder gleich im nächsten Kapitel im Körper der Haushaltshilfe Kara. Neben Putzen, Aufräumen und Kochen kümmert ihr euch um die kleine Tochter des drogenabhängigen und gewalttätigen Vaters. Als dieser wieder einen Wutanfall bekommt und der Tochter Prügel androht, habt ihr die Wahl: dem Prügelknaben eine Standpauke halten und ins Gewissen reden oder doch lieber mit der vorher gefundenen Knarre erschießen? Die Tochter verstecken oder mit ihr weglaufen? Je nach Entscheidung, nimmt das Spiel einen vollkommen anderen Lauf.
Als dritter Charakter kommt Android Markus ins Spiel. Ein Pflegeandroid, der den sterbenskranken Künstler Carl begleitet und von ihm schon relativ früh menschliche Eigenschaften wie Kreativität vermittelt bekommt. Der erste Schritt zur eigenen Persönlichkeit? Wem das Gesicht übrigens bekannt vorkommen sollte: Es ist wirklich Jesse Williams, den meisten bekannt als Dr. Jackson Avery von Grey’s Anatomy.
Alle drei Charaktere haben ihre eigene Story und so erstmal nichts gemeinsam. Im späteren Spielverlauf kreuzen sich diese Geschichten jedoch zwangsläufig.
Du hast die Wahl
Das gesamte Gameplay ist also darauf aufgebaut, Entscheidungen zu treffen, um vorwärts zu kommen. Es gibt zwischendurch einige Sequenzen, in denen man etwas ins Schwitzen kommen könnte – sogenannte Quick-Time-Events. Bei Kämpfen beispielsweise müsst ihr schnell die angezeigten Controller-Buttons drücken, um erfolgreich zu sein. Andernfalls könntet ihr gefangen genommen oder sogar getötet werden. Ansonsten folgt man strikt der Story – mit ungewissem Ausgang. In bestimmten Dialogen erfährt man mehr von seinem Gegenüber, steigt oder sinkt in dessen Beliebtheitsskala und schaltet dabei sogar weitere Optionen frei, die sich im späteren Spielverlauf womöglich als nützlich erweisen könnten.
Zwingend fordernd ist das Spiel so nicht unbedingt, aber darum geht es dem Studio Quantic Dream auch gar nicht. Hier steht vielmehr die Story mit den starken Charakteren im Vordergrund. Je weiter man fortschreitet, desto mehr denkt man selbst nach und hinterfragt die nächsten Aktionen. Ist es wirklich ratsam jetzt die Wahrheit zu sagen? Soll ich meinen am Boden liegenden Gefährten retten und mich selbst in Gefahr bringen oder ihn einfach liegen lassen, um die Mission erfolgreich abzuschließen? Man gelangt in Extremsituationen, in denen man ethischen Fragen nicht ausweichen kann und sich mit ihnen auseinandersetzen muss. Nicht selten ertappt man sich selbst dabei, seine eigene Moral in Frage zu stellen. Was würde ich jetzt an dieser Stelle tun? Bin ich eher ein diplomatischer Schlichter oder doch viel lieber auf Krawall gebürstet? Auf wessen Seite stehe ich eigentlich? Und unterschiedliche Entscheidungen führen sogar dazu, dass vollkommen andere Locations oder Szenarien zum Vorschein kommen.
Genau das macht Detroit: Become Human so spannend und mitreißend! Ein paar Rätsel mehr hätten dem gesamten Gameplay jetzt vielleicht nicht geschadet, aber dennoch macht die packende Geschichte wirklich Spaß. Man weiß nie wirklich, was als nächstes passiert und wie sich welche Entscheidung auswirkt.
Was wäre wenn…
Besonders interessant sind die Zusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels. In einem Ablaufdiagramm wird uns präsentiert, wo wir welche Entscheidung gefällt haben. Zusätzlich sieht man dort, ob es noch andere Optionen gegeben hätte und welchen Einfluss sie auf den weiteren Verlauf des Spiels gehabt hätten. Alle nich gewählten Wege bleiben in diesem Diagramm ausgegraut, so dass keine Details verraten werden. Man muss Detroit: Become Human schon mehrmals spielen, um zu erfahren, welchen Ausgang bestimmte Entscheidungen erwirkt hätten.
Mit gut 12 Stunden Spielzeit haben wir den ersten Durchgang zwar geschafft, aber es sind noch so viele andere Optionen offen, dass wir da gleich noch mal ran müssen. Vielleicht hätte man sich an manchen Stellen doch anders entscheiden müssen? Hier hat man auch anschließend die Wahl. Man kann das komplette Spiel von vorne beginnen, oder aber in jedem Kapitel zu bestimmten Kontrollpunkten springen und von dort aus neue Entscheidungen treffen.
Die Story rund um Künstliche Intelligenz und deren mögliche Bewusstseinsentwicklung ist bei Detroit: Become Human super umgesetzt. Aktueller denn je und gar nicht mal so unrealistisch dargestellt, macht das Spiel wirklich Spaß und regt zum Nachdenken an. Die Szenerie ist grafisch ein Highlight und absolut abwechslungsreich. Ob man es jetzt Spiel oder interaktiver Film nennen möchte, bleibt einem selbst überlassen. Für uns gehört Detroit: Become Human aber zu den Must Haves der Playstation-Spiele.